„Imagine Earth“ ist ein besonderer Vertreter im Genre der Aufbaustrategie: Es vereint klassische Elemente des Städtebaus mit einem hochaktuellen Thema – der Nachhaltigkeit. Entwickelt vom kleinen deutschen Studio Serious Bros., schafft es das Spiel, ökologisches Bewusstsein und ökonomische Optimierung miteinander zu verknüpfen. Seit der Early-Access-Veröffentlichung 2014 wurde es stetig weiterentwickelt und hat 2021 seine Vollversion erhalten. Mit dem im April 2025 veröffentlichten DLC „Galaxies“ bekommt das Spiel ein frisches und weitreichendes Update – nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch. Doch kann das Gesamtpaket dann auch überzeugen?
Das Spielprinzip ist auf den ersten Blick klassisch: Man beginnt mit einem unerschlossenen Planeten und hat die Aufgabe, eine funktionierende Kolonie zu errichten. Dazu muss man Ressourcen wie Energie, Nahrung und Baumaterialien bereitstellen, Wohnraum schaffen und Industrien aufbauen. Doch wo andere Spiele Expansion und Wachstum belohnen, setzt „Imagine Earth“ klare Grenzen: Wer zu viel auf einmal will, ruiniert nicht nur das Ökosystem, sondern gefährdet auch seine Bevölkerung.
Ein CO₂-Indikator, Müllbelastungen, steigende Meeresspiegel oder Waldbrände sind keine optischen Spielereien, sondern reale Bedrohungen für das eigene Siedlungsprojekt. Die Umweltmechanik ist intelligent integriert und zwingt zu wohlüberlegten Entscheidungen: Setzt man auf saubere, aber teurere Energiequellen wie Solarkraft, oder doch auf Kohle und nimmt die Folgen in Kauf? Diese Entscheidungen beeinflussen nicht nur das Überleben der Kolonie, sondern auch deren wirtschaftlichen Erfolg. Gerade das macht „Imagine Earth“ so einzigartig – es vermittelt spielerisch komplexe ökologische Zusammenhänge.
Aktien, Handel und Übernahmen
Neben dem Aufbau der eigenen Infrastruktur ist man nie allein auf einem Planeten. Andere Konzerne – von KI-gesteuerten Unternehmen bis zu menschlichen Mitspielern – siedeln ebenfalls und verfolgen ihre eigenen Interessen. Das bringt eine wirtschaftliche Komponente ins Spiel: Märkte, Aktienhandel und Firmenübernahmen.
Ein cleverer Spieler kann feindliche Unternehmen durch Aktienkäufe übernehmen oder sie durch Handelsabkommen in Abhängigkeit bringen. Diplomatische Optionen wie Allianzen oder Sanktionen stehen zur Verfügung. Dabei geht es nicht nur darum, stärker zu werden, sondern gemeinsam auf planetare Herausforderungen zu reagieren. Beispielsweise können Handelsverträge den Austausch umweltfreundlicher Technologien erleichtern.
Technologischer Fortschritt ist ein entscheidendes Element. Die Forschung erlaubt es, effizientere oder umweltfreundlichere Produktionsmethoden freizuschalten. In Forschungslaboren investiert man beispielsweise in Recyclingmethoden, Wasseraufbereitung oder moderne Landwirtschaft. Auch die Erkundung neuer Energiequellen und die Verbesserung bestehender Produktionslinien zählen dazu.
Die Technologien ermöglichen eine starke Individualisierung: Will man den Fokus auf saubere Energie legen, hochverdichtete Städte mit wenig Fläche bauen oder vielleicht interplanetare Handelsrouten erschließen? Forschung ist außerdem notwendig, um Katastrophen wie Pandemien, Vulkanausbrüche oder Meteoriteneinschläge abzumildern. Jede technologische Entscheidung hat Auswirkungen auf die Effizienz und Nachhaltigkeit der Kolonie.
Grafisch ist „Imagine Earth“ kein Fotorealismus-Monster, aber es hat einen charmanten und klaren Stil. Die Planetenoberflächen wirken lebendig, die Städte entwickeln sich sichtbar weiter und die Benutzeroberfläche bleibt trotz vieler Informationen stets übersichtlich.
Besonders beeindruckend ist die Darstellung der globalen Veränderungen: Ein steigender Meeresspiegel überflutet allmählich Küstenregionen, Rauchschwaden deuten auf Umweltverschmutzung hin. Der Soundtrack ist dezent und atmosphärisch – elektronische Ambient-Klänge, die an futuristische Simulationen erinnern, begleiten das Spielgeschehen zurückhaltend aber stimmungsvoll. Soundeffekte wie Wind, Regen oder Maschinenlärm sind subtil eingebaut und schaffen eine dichte Atmosphäre. Für mich ein faszinierendes Gesamtpaket, dass mich mitnimmt und Stundenlang fesselt.
DLC „Galaxies“: Der große Sprung in die Tiefe
Mit dem Galaxies-DLC wird das Spiel in vielerlei Hinsicht erweitert. Es führt eine Art metagalaktische Ebene ein: Statt nur einzelne Planeten zu besiedeln, übernimmt der Spieler jetzt Verantwortung für eine ganze Galaxie. Kernstück dieser Erweiterung ist die neue Raumstation – sie dient als Zentrale für Forschung, Ressourcenmanagement und Flottenkoordination zwischen den Kolonien.
Wichtige Features:
- Orbital Lift: Eine Hightech-Struktur, die es erlaubt, Ressourcen und Technologien kostenlos und sofort zwischen Planeten zu transferieren. Das reduziert nicht nur Logistikprobleme, sondern eröffnet ganz neue strategische Optionen.
- Neue Kampagne: Die vierteilige Kampagne rund um die „Genesis Seed Initiative“ führt neue Charaktere wie den USN-Berater Ixas ein und bietet spannende neue Story-Inhalte.
- Interplanetare Technologien: Man kann nun Technologien entwickeln, die auf mehreren Planeten gleichzeitig wirken – zum Beispiel globale Klimastabilisierer.
- Erlebe Galaxien mit bis zu 20 Planeten
Mit dem DLC wurde auch die technische Grundlage überarbeitet: Das Spiel läuft nun auf Unity 6. Besonders bemerkenswert ist die Einführung von Temporal Anti-Aliasing (TAA), das die Kantenglättung verbessert und so für ein ruhigeres Bild sorgt. Zudem gibt es optimierte HDR-Helligkeitsstufen und ein verbessertes Warnsystem für Naturkatastrophen.
Weitere Änderungen:
– Medizinproduktion: Gesundheitsdistrikte können nun Medizin produzieren, was für die Pandemiebekämpfung essenziell ist.
– Performance-Optimierung: Ladezeiten wurden verkürzt, Planetensimulationen laufen flüssiger.
– UI-Verbesserungen: Tooltipps, Ressourcenanzeige und Warnmeldungen sind übersichtlicher.
Ein großes Plus ist die aktive Community. Die Entwickler beziehen seit Jahren Rückmeldungen ein, was sich in der hohen Qualität der Erweiterungen widerspiegelt. Das Spiel bietet viele Karten und Missionen, sowie ein Sandbox-Modus für kreative Stadtplaner. Der Wiederspielwert ist hoch – jede Karte und jede Partei verlangt andere Strategien. Im Steam-Workshop findet man reichlich Ergänzungen, um das Spielerlebnis zu vertiefen.
„Imagine Earth“ ist kein typisches Aufbauspiel. Es verbindet Wirtschaft, Ökologie, Politik und Ethik auf clevere Weise und schafft es, dabei trotzdem unterhaltsam zu bleiben. Mit der „Galaxies“-Erweiterung wird das Spiel deutlich komplexer, aber auch spannender: Man denkt nicht mehr nur planetar, sondern galaktisch – und muss den ökologischen Fußabdruck gleich auf mehreren Welten managen.
Für Fans von Anno, Civilization oder Surviving Mars ist „Imagine Earth“ definitiv eine lohnende Investition. Es lehrt spielerisch, dass Wachstum immer Konsequenzen hat – und dass nachhaltige Strategien langfristig erfolgreicher sind als kurzfristige Profite. Ich hatte im Testverlauf extrem viel spannende Momente und Freude daran, den Aufbau immer wieder anders zu gestalten.








