Damit hatte wohl niemand gerechnet, als Sony auf der gamescom ankündigte, dass Erica ab sofort im PS-Store für die Playstation 4 verfügbar sein würde. Auch wenn das von Flavourworks entwickelte Spiel bereits seit einiger Zeit angekündigt war, so hatte man lange nichts davon gehört. Doch dann war es da! Wer hier ein normales Videospiel oder etwas in der Richtung von Life is Strange oder Detroit: Become Human erwartet wird enttäuscht. Erica will kein Spiel im klassischen Sinne sein, sondern kommt eher als interaktiver Film daher.
Am Anfang war ich sehr skeptisch, was das Gameplay angeht. Ursprünglich war das Spiel als reiner Playlink-Titel gedacht; doch im fertigem Spiel ist es auch möglich mit dem Touchpad des Controllers zu spielen. Mir persönlich hat allerdings die Playlink-Variante mit dem Handy und der Copanion-App wesentlich besser gefallen – es fühlte sich einfach besser an. Man konnte intuitiv die Bewegungen machen, ohne den Blick vom Bild abzuwenden. Auch gab es die Gelegenheit, tiefer in den Film einzutauchen. Da niemals Charaktere gesteuert werden müssen, sondern immer nur Bewegungen am Bildschirm ausgeführt werden, fällt dies auf dem größeren Tablet / Handy auch wesentlich leichter, als auf dem kleinen Touchpad des Controllers. Dennoch ist auch hier nicht alles perfekt – so verrutschen manches Mal die gewählten Punkte oder werden gar nicht richtig erkannt.
Das Spiel handelt von der gleichnamigen Protagonisten Erica. Diese erfährt Dinge über Ihre Vergangenheit und muss Entscheidungen treffen, die ihre Zukunft beeinflussen. Dabei versucht Erica den mysteriösen Mord an ihren Vater aufzuklären. Während ihren Nachforschungen führt ihr Weg in das sogenannte Delphi Haus, den ehemaligen Arbeitsplatz ihrer Eltern. Schnell wird klar, dass hier aber auch etwas übersinnliches im Spiel ist und es nicht nur Schwarz und Weiß gibt.
Ich muss an dieser Stelle gestehen – und man erlaube mir hier den persönlichen Einschnitt – am Anfang war ich extrem skeptisch, ob das Konzept mit dieser Story aufgehen kann. Manche Szenenwechsel sind für mich missverständlich gewesen und nicht immer ist mir klar, warum die Personen plötzlich dort sind, wo sie sind. Doch wenn man einige Zeit gespielt hat, packt einen der Thriller, der hier aufgefahren wird.
Immer wieder kommen neue Fragen hinzu und man fiebert den Antworten hinterher. Es hat nur die ersten paar Minuten des ca. 2 Stunden dauernden Durchlaufs gebraucht, um uns hier zu packen. Danach konnte der Titel nicht mehr ausgeschaltet werden, bis man tatsächlich am Ende angekommen ist.
Ein Wermutstropfen des Ganzen war allerdings, dass aus den zum Teil reichhaltigen Multiplechoice-Antworten nicht immer eindeutig hervorgeht, zu was für einer Antwort die Auswahl führt. So hatte ich eine Situation, in der ich mit einer etwas forschen Antwort gerechnet hatte, aber letztendlich doch eine neutrale bis defensive Antwort dabei herum kam.
Die Grafik des Spiels ist atemberaubend – was ganz schlicht daran liegt, dass die Szenen tatsächlich mit realen Schauspielern gefilmt sind. Jede Entscheidung, die der Spieler trifft, führt zu anderen Filmszenen. Damit fällt Erica in die Kategorie der FMV (Full Motion Video)-Spiele, die insbesondere in den 90er-Jahren in Mode kamen, aber mit der Zeit immer mehr ausstarben. Allerdings sind manche Kamerafahrten seltsam und lassen erahnen, dass die Szenen doch auch wenn sie zu ein und der selben Situation gehören, einzeln abgefilmt worden sein müssen. Da wäre eventuell mehr möglich gewesen.
Der Sound ist den Situationen extrem angemessen und verleiht dem ganzen eine Kino-Atmosphäre. Hier gab es im Test nur manchmal Situationen, dass eine Tonspur plötzlich doppelt lag – während die Szene schon wesentlich weiter war, wurde nochmal der Satz aus der Szene zuvor wiederholt.