Brutale Schlachten, blutige Fehden und brandschatzende Wilde. Europa war zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert ein dunkler und brutaler Ort. Die Horden der Wikinger verbreiteten ihren Schrecken an den Küsten der britischen Inseln. Mutig verteidigten die Angelsachsen ihre Ländereien, rieben sich gleichzeitig aber auch untereinander auf. Währenddessen tobten im Osten Europas die Stammeskriege der Slawen und im Heiligen Römischen Reich prallten Armeen um die Herrschaft aufeinander.
Damit bietet sich eine nahezu perfekte Kulisse, welche als Grundlage für ein Strategiespiel dienen kann. Diesen oder einen ähnlichen Gedanken musste Destructive Creations vor der Entwicklung von Ancestors Legacy gehabt haben. Aktuell bieten sechs Kampagnen mit jeweils fünf Missionen die Möglichkeit, als Anführer der Wikinger, Angelsachsen, Deutschen oder Slawen in die Schlacht zu ziehen. Dabei bietet jeder Feldzug die Geschichte eines bestimmten Herrschers. So bietet sich die Gelegenheit zum Beispiel den jungen deutschen König Rudolf I. in Schlachten gegen Raubritter zu erleben. Oder doch lieber mit Ulf Eisenbart an der Küste Britanniens gegen die Angelsachsen? Alles eine Möglichkeit!
Doch auch wenn die Geschichten historisch sind, so erhält man doch ein recht modernes Strategiespiel. Je nach Kampagne beginnt man mit einer festgelegten Basis, erteilt den vorhandenen Truppen Befehle um Gebäude zu errichten oder eben auch Positionen zu verteidigen. Zum erhalten von Ressourcen werden Dörfer in der Umgebung erobert um dann die dortige Bevölkerung für uns arbeiten zu lassen. Um diese Dörfer einzunehmen muss zuvor das entsprechende Haupthaus eingenommen werden. Türme dienen als Verteidigung für die übernommene Siedlung. Und auch wenn die Sache mit den Dörfern sehr grundlegend wirkt, ist sie keineswegs unwichtig! Es kann durchaus vorkommen, dass das Halten von einem Dorf und damit der Zugang zu Ressourcen über Sieg oder Niederlage entscheidet.
Weitere Einheiten werden in Truppstärke rekrutiert und es können maximal zehn Truppen zeitgleich befehligt werden. Doch für die richtige Strategie muss hier auf eine ausgewogene Zusammenstellung geachtet werden. Fernkämpfer, Nahkämpfer und Reiter wollen durchdacht eingesetzt werden, denn die Kämpfe fallen sehr taktisch aus. Hier könnten sich andere Vertreter des Genres wirklich eine Scheibe abschneiden. Zum Beispiel machen die Einheiten deutlich mehr Schaden, wenn aus dem Hinterhalt angegriffen wird. Gegen Bogenschützen helfen am ehesten Reiter, die diese Truppen einfach niedertrampeln, während Speerträger einen solchen Ansturm sehr effektiv aufhalten. Es ist ein sehr gut umgesetztes Stein-Schere-Papier-Prinzip. Doch damit nicht genug – auch das Zusammenspiel der eigenen Truppen ist wichtig. Zum Beispiel sollten Bogenschützen das Feuer einstellen, wenn Nahkämpfer am Gegner ankommen. Anderenfalls könnten die Pfeile auch die eigenen Truppen treffen und somit verletzten oder im schlimmsten Fall eine komplette Niederlage herbeiführen. In den Kampagnen werden diese diversen Eigenschaften perfekt für spannende Missionen umgesetzt. So gibt es Missionen, in denen ohne die Sicherheit einer eigenen Basis mithilfe von wenigen Soldaten verschiedene Ziele erreicht werden müssen. Dabei können sich die Einheiten in hohen Gras verstecken und somit Hinterhalte planen und Gegner besser schädigen, als ohne diese. War die Schlacht erfolgreich und der eigene Trupp siegreich, werden verwundete Krieger per Knopfdruck im Feldlazarett geheilt. Sofern ein Lager vorhanden ist, können dezimierte Truppen teilweise auch wieder aufgestockt werden. Auch werden die Truppen mit der Erfahrung aus den Schlachten stärker, was das gesamt System abrundet und noch eine Ebene der Taktik hinzufügt. Zu Beginn wird aus drei verschiedenen Ausrichtungen gewählt. Spätestens wenn Ressourcen zum Einsatz kommen, kann auch die Ausrüstung einzelner Truppen verbessert werden.
In den Schlachten merkt man dem Spiel deutlich an, wie viel Liebe die Entwickler hier hereingesteckt haben. Das Kampfgetümmelt kann nicht nur aus der Vogelperspektive betrachtet werden sondern bei Bedarf auch aus der Nähe. Hierzu zoomt man einfach an das Geschehen heran und spürt die Stärke des Krieges. Dabei ist jeder Kämpfer individuell anhand seiner eigenen Kampfsituation animiert. Das sieht man auch daran, dass Bogenschützen zum Beispiel zum Schwert wechseln, wenn Feinde sie in den Nahkampf zwingen. Dabei sind diese aber nicht so kampfstark, wie ein ausgebildeter Trupp Axtkämpfer.
Die Schlachten sind es auch, welche den Hauptpunkt des Spiels ausmachen. Das gute Interface nimmt einige der Arbeiten ab und erleichtert den Bau von Häusern, die Forschung und auch das Ausheben von Truppen, sodass ein abschweifender Blick von der Armee nahezu unnötig wird. Schade ist, dass der Umfang der Einheiten etwas knapp ausfällt. Doch jede Fraktion bringt eigene Truppen mit, was natürlich für Tiefgang sorgt. Und die wahren Strategie-Fans werden auch trotz der überschaubaren Missionsauswahl mit absoluter Sicherheit glücklich – genügend Herausforderung liefert das Spiel auf jeden Fall!
Doch auch in den Tag- und Nachtwechseln merkt man erneut den Tiefgang des Spieles. Diese bieten einen Aspekt der Strategie, welchen ich in anderen Spielen so manches Mal vermisse! Nachts sehen die Truppen – eigene als auch feindliche – weniger, was optimal beim Schleichen ist. Wenn gewünscht kann diese Sichtweise aber auf Knopfdruck dank der mitgeführten Fackeln erweitert werden -allerdings sind die Einheiten dann auch schneller zu sehen. Ebenso wie der Tageswechsel wirken sich Wettereffekte aus – so lassen sich bei einem Gewitter die Gebäude langsamer in Brand stecken. Das sind die wirklichen „Wow“-Effekte, wie ich sie wirklich gerne mehr hätte in Strategiespielen!
Auf der Playstation 4 spielt sich die Steuerung etwas Gewöhnungsbedürftig. So hatte ich während des Tests immer mal wieder Probleme, meine korrekten Truppen auszuwählen oder die richtigen Befehle im richtigen Moment zu setzen. Doch mit etwas Übung ist auch das in den Griff zu bekommen. Am PC lässt sich das Spiel hingegen perfekt spielen und man muss sich richtig los reißen, um eine Partie zu beenden. Hier gilt im Zweifel einfach: Dran bleiben! Es lohnt sich.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass Ancestors Legacy ein verdammt gutes Strategiespiel ist. An jeder Ecke, sei es im Design der Truppen oder auch der Umgebung oder einfach die Animationsdetails (Bogenschützen wechseln zum Schwert) spürt man die Liebe, welche die Entwickler von Destructive Creations hier reingesteckt haben. Die Schwierigkeit ist knackig genug, aber ohne dabei zu überfordern. Und parallel lässt sich noch ein bisschen was über die Fraktionen lernen. So ist neben der Grafik auch der Sound gut getroffen und die Sprecher sind für ein Strategiespiel echt überzeugend! Wer eine wahre Perle an Strategiespielen sucht, wird mit Ancestors Legacy glücklich!